Das Spiel in der Psychoananlyse
In der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist das miteinander Sprechen zwar bedeutsam, aber nicht der einzige Weg, um sich auszudrücken und verstanden zu werden. Die Kommunikations-
möglichkeiten insbesondere der Kinder sind symbolischer Natur und werden im spielerischen Tun und Gestalten ausgedrückt.
Die PatientInnen entscheiden selbst über die Gestaltung ihrer Stunde. Dieser eigene Spielraum kann am Anfang irritierend sein, weil jede/r eher daran gewöhnt ist, dass andere einem sagen, was zu tun ist. Ich helfe Kindern und Jugendlichen, ihre Spiel- und Ausdrucksmöglichkeiten zu entdecken und für sich zu nutzen.
Eine wesentliche Voraussetzung, um sich frei ausdrücken zu können, besteht in der gewachsenen Vertrauensbeziehung zwischen der Patientin/ dem Patienten und mir. Der Patientin/dem Patienten soll es zunehmend möglich werden, ihre/seine unterschiedlichen Empfindungen, z.B. Ängste, Wünsche, Ärger, Wut, Fantasien und ähnliches zum Ausdruck zu bringen.
Ich übernehme die Aufgabe, die PatientInnen in ihrer Stundengestaltung “innerlich” zu begleiten. Durch das Dargestellte, Gespielte und Ge-
sprochene sowie durch die erfahrbare Beziehung zwischen mir und den PatientInnen versuche ich die individuelle innere Konfliktlage zu verstehen und im geeigneten Moment symbolisch auszudrücken oder anzusprechen und damit neue Erfahrungen und Erkenntnisse anzuregen bzw. zu ermöglichen.
Spielen ist die natürlichste und ursprünglichste Verhaltensweise des Menschen.
Das Spiel ist eine lustbetonte schöpferische Auseinandersetzung mit uns selbst, unseren Mitmenschen und der Umwelt. Spiel hat immer etwas mit Freiheit und Selbstbestimmung zu tun und kann nur in einer vertrauens-
vollen und freiheitlichen Atmosphäre entstehen.
Wesentliche Merkmale der Spielfähigkeit und des Spiels bei Kindern sind die Fantasietätigkeit, die Fähigkeit zur Grenzziehung zwischen Fantasie und Realität, zur Impulssteuerung, die Fähigkeit Narrative zu entwickeln und die Qualität der Objektbeziehungen, darüber hinaus das Verhältnis von Fantasie und Realität, die körperliche Handlung, die Als-ob-Fähigkeit, die Spieldauer, der Spielinhalt, die Spielqualität und das Spiel-Entwicklungsalter. Das Spiel bietet also eine Panoramaansicht des Kindes. Bedeutend sind Einfallsreichtum, Wiederholungen, Alters- und Geschlechtsangemessenheit, Ausdauer, Stellenwert des Konkurrierens, Ordentlichkeit, Typus des Spielabschlusses und der Intensität, zudem die grob- und feinmotorische Koordination, die Intelligenz, die Sprache und die Fantasie.
Das Kind kann beim Spielen keine Fehler machen. Im spielerischen Tun kann die Beziehungsaufnahme und -gestaltung zwischen mir und den PatientInnen stattfinden. Das Spielen ermöglicht dem Kind die Selbst- und Konfliktdarstellung, und es können Konfliktlösungen entwickelt werden.
Im therapeutischen Spielen dürfen alle Gefühle zum Ausdruck kommen.
Ich bin Teil der spielerischen Handlung. Regieanweisungen nehme ich an und verschaffe dem Kind Freiräume, sich spielerisch artikulieren zu können. Beim Spielen können die verschiedensten Gefühle und Fantasien auftreten, manchmal affektgeladen, manchmal unterschwellig. Im Spiel kann sich das Kind mit seiner inneren und der äußeren Welt auseinandersetzen. Diesen Prozess fördere, unterstütze und begleite ich entsprechend den individuellen Erfordernissen des Kindes.
Aus diesem Grund gibt es im Therapiezimmer auch unterschiedlichste Spielmaterialien. Einen Sandkasten, verschiedene Handpuppen, Stofftiere, ein Puppenhaus, eine Ritterburg und vieles mehr. Diese ermöglichen dem Kind, sich in beliebiger Form symbolisch auszudrücken.
So gibt es z.B. auch Spielzeug, mit dem das Kind seine Aggressionen ausdrücken kann. Der Boxsack ermöglicht z.B. das gefahrlose Ausleben von Wut oder das Erleben der eigenen Kraft. Auch das Schießen mit der Armbrust oder das Spielen mit Pistolen oder Soldaten und gefährlichen Spielfiguren ermöglichen dem Kind eine Auseinandersetzung mit seinen aggressiven Anteilen. Solche Möglichkeiten bedeuten z.B. spielerisch kämpfen zu können, sich verteidigen und schützen zu lernen und sich stark und wirkmächtig zu fühlen. Bei solchen Kampfspielen kann aber auch deutlich werden, dass sich das Kind ansonsten häufig bedroht, wehrlos und ausgeliefert fühlt und somit seine darunter liegenden Ängste zur Sprache kommen, die anschließend verstanden und therapeutisch bearbeitet werden können.
Ebenso gibt es im Therapiezimmer sogenannte Gesellschaftsspiele sowie verschiedene Möglichkeiten, mit denen die Kinder Wett- und Konkurrenzspiele entwickeln können. Bei dieser Art von Spielen geht es z.B. um das Erleben eigener Fähigkeiten und Kräfte sowie um das Aushalten bestimmter Regeln und Grenzen. Die dazugehörigen Gefühle können dabei wahrgenommen, benannt, lebensgeschichtlich eingeordnet und therapeutisch bearbeitet werden.
Auch das Malen, Zeichnen, Bauen oder Modellieren mit Knete oder Sand geben dem Kind die Möglichkeit, seine innere und äußere Welt darzustellen und für andere verstehbar werden zu lassen.
Ebenso können Träume, Geschichten oder Märchen dazu dienen, die innere und äußere Erlebniswelt erlebbar werden zu lassen. Das Kind kann die unterschiedlichen spielerischen Gestaltungsmöglichkeiten immer so einsetzen, wie es seinem Spiel- und Darstellungsbedürfnis und seiner Fantasie entspricht. So kann sich die schöpferische Kraft des Kindes voll entfalten und die Konfliktbearbeitung wird möglich.
Die Kinderpsychotherapie ist primär keine Spieltherapie.
Vielmehr dienen die Spieleinfälle als Ausdrucksweisen und anschauliche Inszenierungen unbewusster, unbewältigter Konflikte. Meist ist die Darstellung verschlüsselt und der Sinn muss gedeutet werden. Die Zurückverwandlung in Worte übernehme ich, so dass das Kind Einsichten über sich gewinnt und seine Selbstkontrolle vergrößert.
Das Spiel erlaubt dem Kind die Distanzierung und Verarbeitung. Es soll sich 'frei spielen'. Die innere Auseinandersetzung des Kindes mit den emotionalen Beziehungen wird durch eine behutsame Konfrontation durch mich unmerklich gefördert.
Im heilsamen Spiel werden konflikthafte Situationen nicht einfach nur wiederholt, sondern aktiv neu hergestellt. Das Spiel hat die Funktion eines Helfers für das Selbst. Wichtige interaktive Erfahrungen werden im Spiel durchgemacht, überprüft und ins Selbstbild integriert oder verworfen. Im Spiel erfolgen die symbolische Umsetzung und Darstellung von Empfindungen, Erfahrungen oder unbewussten Konflikten.
Insbesondere das Sandspiel führt in tiefere seelische Schichten, die für das Bewusstsein oder die Sprache schwer zugänglich sind oder keinen angemessenen Ausdruck hätten finden können. Das Sandspiel vermag einen ganzheitlichen Wandlungsprozess in Bewegung zu setzen, der die eigenen Ressourcen des Kindes stärken, schöpferische Neugestaltung ermöglichen und zur Heilung und Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit beitragen kann. Die Voraussetzung für die Sandspieltherapie ist der freie und geschützte Raum, den die therapeutische Situation und Beziehung bieten.